Nachlese

Piz Morteratsch
DAV Überlingen
03.-04. Juli

 

Aufbruch zum Piz Morteratsch

Der Samstag Morgen begann um 5.00 Uhr. Die frühe Stunde war kein Problem. Irgendwie war ich am Vortag sehr erschöpft, so dass ich die ganze Nacht gut durchschlafen konnte und deshalb auch am Morgen fit war. Die Ausrüstung war ja schon so weit vorbereitet, dass wir nur noch die Wegration zubereiten mussten und ein ausgiebiges Frühstück haben konnten. Um 5.40 Uhr ging es dann los. Treffpunkt war Überlingen zu 6.00 Uhr und der Gerold kannte zumindest den Hermann als Bergführer. Als wir ankamen, waren schon alle anderen des Teams dort, besprachen die ersten notwendigen Steps des Tages und lernten sich gegenseitig kennen, denn die meisten sahen sich das erste Mal. Das Team bestand aus 11 Teilnehmern. Alle sahen, aufgrund ihrer Ausrüstung und ihres Outfits, gut vorbereitet aus, waren auf den ersten Blick ein nettes Völkchen und bestens gelaunt. Denn sie hatten zumindest eine Vorstel-lung, was uns in den nächsten Stunden und Tagen erwarten würde. Ich dagegen, völlig blind in dieser Hinsicht, war zwar aufgeregt, aber voller Tatendrang. Denn endlich sollte sich der Wunsch, einmal eine solche Tour mitmachen zu können, erfüllen. Nachdem wir uns einig waren, wer wo mitfahren wird und die entsprechenden Sachen verstaut worden waren, ging es dann los. Ziel war das verschlafene Dorf Pontresina in den Alpen rechter Hand von St. Moritz. Die Fahrt war einfach super lustig. Wir hatten die Vreni und den Eberhard mitgenommen. Und da gab es viel zu bereden und auszutauschen. Ich bekam einen guten Überblick, was man alles so anstellen und kennen lernen kann, wenn man viel in den Alpen unterwegs ist.

Den ersten Einstimmungskaffee gab es dann am Julierpass, direkt am Fuße der Alpen, ca. eine halbe Stunde von unserem Ziel entfernt nach ca. 3 Stunden Fahrt, die aber sehr angenehm, heiter und informativ verlaufen war. Am frühen Morgen um ca. 8.46 Uhr war es schon ein wenig frostig und man konnte das uns bevorstehende wundervolle Wetter erahnen, denn der Himmel war fast wolkenlos und die Sonne zu dieser frühen Stunde schon schön intensiv. Die Sicht war traumhaft, genau so wie wir das `bestellt` hatten. Die Stimmung war hier schon ein wenig gelöster und vor allem lustiger, denn alle konnten es kaum noch erwarten, dass es nun endlich losgehen sollte. Viele hatten genaue Vorstellungen, wie die gesamte Wanderung ablaufen würde und diskutierten die einzelnen To Do`s für den heutigen und den morgigen Tag. Andere wiederum genossen die ersten Sonnenstrahlen beim Kaffee und Smalltalk. Der Hermann verstand sich ganz und gar als Entertainer. Mit seiner Art konnte er die Truppe aufzuheitern. Das kleine Bistro war für diese frühe Stunde und für uns der optimale Platz für eine kleine Rast, bevor die eigentliche Tour starten sollte. Der Kaffee übrigens war hervorragend; ist zu empfehlen.

Kurz nach diesem Bistro-Stop gab es dann direkt auf der Strasse einen spontanen Stop, denn wir konnten zum ersten Mal an diesem Tag den Piz Morteratsch und den Bianco Grat von Weitem bestaunen. Das war schon ein emotionaler Augenblick für mich. Denn langsam wurde es ernst.

Um ca. 10.00 Uhr hatten wir den Parkplatz in Pontresina erreicht. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich schon ein wenig weiche Knie, denn jetzt gab es kein Zurück mehr. Alle mussten sich für den Aufstieg zur Tschiervahütte vorbereiten. Die Ausrüstung eines jeden wurde vom Bergführer Hermann gecheckt und nichtvorhandene Ausrüstungsgegenstände wie Pickel, Karabiner, Eisschrauben und Steigeisen entsprechend verteilt, damit jeder eine vollständige Ausrüstung mit sich führte. Diese Vorbereitung verlief super flott und ich war erstaunt, dass es nach ca. 10 Minuten dann auch schon losging, diesmal zu Fuß. Es war lustig anzusehen wie elf Personen, vollgepackt mit Bergsteigerutensilien durch das sehr lang gezogene Rosegtal wanderten, obwohl es weder kalt noch bergig war. Auf dem Wanderpfad war es sehr entspannend zu laufen, dennoch mussten wir nach ca. einer Stunde eine kleine erste Rast einlegen, denn wir durften aufgrund der Wärme das Trinken nicht vernachlässigen. Und außerdem mussten sich alle erst einmal an die Tragelast gewöhnen und dies kostet am Anfang eben ein wenig Schweiß. Dies war aber alles kein Problem. Es war für alle eine Genugtuung, endlich auf dem Weg zum ersehnten Ziel sein zu können. Alle waren entzückt, vor allem, weil das Wetter so super mitspielte (war ja bestellt!!!). Denn einen Tag zuvor hatte es am Bodensee noch den ganzen Tag lag Gewitter und Sturm gegeben und man konnte den Wettervorhersagen für das Wochenende in den Alpen kaum Glauben schenken, aber es kam wirklich zum angesagten Kaiserwetter und somit lachte jetzt die Sonne und es wehte kaum ein Lüftchen. Das Rosegtal lag zwischen zwei steil ansteigenden Bergen mit massiv emporsteigenden Steilhängen. Beeindruckend waren die Bäche, die teilweise als Wasserfälle hinunter ins Tal flossen. Im Tal floss ein größerer Bach mit weiß/hellblauem Gletscherwasser. Der Fließrichtung dieses Baches wanderten wir entgegen und erreichten nach ca. anderthalb Stunden das Ende des Tals, an dem sich das Hotel Roseg befindet. Das Hotel stellt für viele Freizeit-Wanderer ein schönes Etappenziel ihrer Wanderungen dar. Von hier aus hatten wir eine herrliche Aussicht auf die vor uns liegenden und noch schneebedeckten Berge. Davor erstreckte sich eine weitläufige Ebene mit einem Flussdelta vom Schmelzwasser des Gletschers und das sich in unserem Gletscherbach vereinte und dann das Tal hinunter floss.

Ab hier begann nun der wahre Aufstieg zur Hütte. Der Anstieg in den bevorstehenden Stunden war mit der bisherigen Steigung des Wanderweges im Rosegtal nicht zu vergleichen. Bisher hatten wir mit den Höhenunterschieden nicht viel zu kämpfen, doch nun ging es dagegen schon ein wenig steiler bergauf. Dies machte uns aber nicht zu schaffen und so waren alle weiterhin gut drauf Dennoch sollten die Ausrüstungen der Teilnehmer auch weiterhin ihren Beitrag zum Schwitzen leisten. Wie auch schon im Tal war die gesamte Truppe damit beschäftigt, sich weiterhin untereinander näher kennen zu lernen bzw. Erfahrungen und Infos auszutauschen. Die Mentalitäten der Teammitglieder ähnelten sich sehr, weshalb es auch nicht schwer fiel, untereinander leicht ins Gespräch zu kommen. Nur wurde der Pfad, dem wir nun folgten enger, steiler und steiniger und verlangte einiges mehr an Konzentration als man bisher aufbringen musste. Der Pfad wurde teilweise so eng, dass es schwierig bis unmöglich war, nebeneinander zu laufen. Dennoch wurden die Gespräche weitergeführt und die Lautstärke der veränderten Situation entsprechend angepasst. Sehnsüchtig fieberten wir unserer ersten und einzigen ausgiebigen Rast entgegen.

Hier konnten wir unser Frühstück, das jeder für sich als Wegration vorbereitet hatte, zu uns nehmen. Der Standpunkt für dieses Frühstück war optimal ausgewählt, da wir die wärmende Sonne zu dieser Stunde voll genießen konnten. Da fehlte wirklich nur noch der heiße Kaffee. Die meisten nutzten diese Rast auch, teilweise ihre Wanderklamotten zu tauschen oder sich ihnen ganz zu entledigen. Dieses Frühstück kam mir ganz recht. Man konnte endlich diesen Rucksack loswerden, in aller Ruhe die Sonne genießen und zusammen mit den anderen über die bisherigen Eindrücke diskutieren.

Nach dem Frühstück wurden die Seile, die später als Halteseile dienen sollten und ca. 50 m lang waren, getauscht. Das zusätzliche Seil, das ich auf meinem Rucksack verstaute, wiegte schon ein paar Kilochen und war definitiv spürbar. Doch es war erträglich und ich wollte ja auch meinen Beitrag zum Ganzen beisteuern. Außerdem war das kein Problem.

Das nächste Teilstück sollte vollständig bis zur Hütte durchgelaufen werden. Der Hermann hatte nach einigen Kehren dann die tolle Idee, dass nun sichtbare und vor uns liegende Auslaufbecken des abschmelzenden Gletschers zu besichtigen und fragte die anderen, wer denn Lust hätte, sich dies mal von Nahen anzusehen. Und da ich nichts abschlagen konnte und wollte und es den Gerold auch interessierte, waren wir dabei. Das dieser Abstecher die erste Einstimmung auf das war, was uns am nächsten Tag erwarten würde, konnte ich bis dahin nicht ahnen bzw. wissen. Die anderen nahmen weiterhin den normalen Wanderpfad.

Die ersten zehn Minuten unseres Anstieges auf den Kamm der Endmoräne waren noch erträglich. Dann wurde der Anstieg aber immer steiler und somit die Anstrengung immer größer. Das brachte den Kreislauf so richtig in Stimmung, so in der Sonne, voll bepackt und mit Seil!. Denn das Wetter war weiterhin sehr schön. Die Sonne strahlte mit stärker werdender Intensität auf uns ein und das kühlende, rettende Lüftchen blieb leider aus. Dies lies sich nur durch entsprechende Entkleidung ausgleichen. Somit entledigten wir uns einiger Sweatshirts und krempelten die Hosen hoch, denn immerhin waren wir gerüstet für die Hochalpen und für Minusgrade, aber nicht für einen heißen Sommertag. Dann ging es weiter. Angekommen auf dem Kamm dieser Auslaufmoräne war der Anblick schon gigantisch. Doch viel Zeit zum Bestaunen gab es nicht. Der Hermann legte ein Tempo vor, das zumindest einigermaßen einzuhalten galt. Ich dachte bis zu diesem Punkt, dass die Kletterei nun ein Ende hat, doch der schmale Kamm, der kaum als Pfad zu begehen war, hatte auch weiterhin eine beachtliche und von mir leider unterschätzte Steigung. Die Transpiration blieb von daher nicht aus. Das war aber nicht von Nachteil, denn ich war für diese Wanderung bestens gerüstet. Mein tragbarer Wassersack, den ich im Rucksack verstauen konnte, und der dazugehörige Trinkschlauch ermöglichten mir eine ungehinderte Flüssigkeitszufuhr während des Laufens, zum Glück!

Wir konnten die anderen, die weiterhin der Hütte auf dem normalen Wanderweg entgegenliefen, beobachten. Und dann ging das mit dem Fotoschießen los. Mal wurde inne gehalten, weil der Gerold entsprechende Bilder schießen wollte und mal wegen Hermann. Und dies hat sich im Nachhinein ja auch gelohnt. Ich bin jedenfalls von den Fotos der beiden begeistert und das bei diesem Wetter.

Der Gerold und ich haben jedenfalls den Hermann nicht mehr einholen können. Irgendwie muss es ihn hinauf getrieben haben. Noch vor der Hütte vereinigten sich die Wege unserer beiden Gruppen. Somit stießen wir wieder auf den normalen Wanderweg und marschierten gemeinsam mit den anderen rauf zur Hütte.

Gerold und Frank
Gerold und Frank
Tschiervagletscher
Tschiervagletscher
An der Tschiervahütte
An der Tschiervahütte

Wir kamen ca. 14.30 Uhr in der Tschiervahütte an. Wir, dass heißt die Vreni, Karin, der Fritz, Eberhard, Gerold, Hermann, Rudi, Joachim, Michael, Uli und ich (Frank). Der Dieter wartete schon sehnsüchtig auf uns und ergänzte die Truppe auf die Gesamtzahl von 12. Das war so auch geplant. Denn es sollten 3 Seilschaften zu je 4 Mann gebildet werden.

Alle waren, trotz des eher `leichten` Anstieges doch ziemlich geschafft und wollten erst einmal ihre Klamotten ablegen und vor allem die Zimmer, oder besser das Zimmer mit der entsprechenden Schlafgelegenheit besichtigen. Der Hermann kannte die Betreiber dieser Hütte und informierte sie über unser Ankommen, besorgte das Zimmer und meldete uns für die Mahlzeiten an. Dann bezogen alle das Zimmer. Es befand sich in einem neu erbauten Schlaftrakt der Tschiervahütte. Es war groß genug, um das überdimensonale Doppelstockbett und ein gegenüberliegendes Regal, in dem wir die Klamotten verstauen konnten, aufzunehmen. Das Bett war neu und auch die Bettutensilien wie Kopfkissen und Schlafdecken. Somit erübrigte sich schon einmal die Anwendung des Hüttenschlafsackes. Wir alle waren super happy mit dem Zimmer und dem Bett, denn viele hatten schon ganz andere Locations mit wesentlich einfacheren Unterkünften erlebt (und uns darüber im Vornherein berichtet).

Nachdem alle ihren Schlafbereich im Bett gefunden und als den ihren bestimmt hatten, ging es erst einmal ans Wiederholen und Auffrischen von Kletterkenntnissen und Verhaltensweisen bei Bergtouren in Eis und Schnee. Hierzu kamen Seil, Gurt, Karabiner, Bandschlingen, Eispickel zur Anwendung. Es wurde wiederholt, welche notwendigen Schritte abzuarbeiten sind, falls einer der Seilschaftsmitglieder in eine Gletscherspalte fällt. Hermann vergewisserte sich bei jedem einzelnen, ob er die notwendigen theoretischen Kenntnisse besitzt und ob die Knoten und Handgriffe für den Ernstfall sitzen.

Nachdem alle Ihr Können durch die Vorführung am Seil praktisch unter Beweis stellen konnten, gingen wir zum Angenehmen Teil des Tages über. Wir holten uns alle erst einmal ein Bierchen (oder Radler) und gingen auf die Terrasse der Hütte, um das traumhafte Wetter nun endlich entspannend beim Bier (und einer Kleinigkeit für den Hunger) genießen zu können. Von der Hütte aus hatten wir einen herrlichen Blick auf das vor uns liegende Bergmassiv (super Panorama). Bei Sonnenschein, fast wolkenlosem Himmel und dem weißen Schnee auf den Bergen schlugen die Herzen aller höher und man konnte gar nicht genug von diesem Anblick bekommen. Außer uns waren noch andere Bergspezialisten auf der Hütte, die auch am nächsten Morgen zu verschiedenen Bergtouren starten wollten. Die Biers und Radlers hatten den Hunger ziemlich angeheizt und so gingen wir gegen 19.00 Uhr zum Abendessen über. Für uns stand im Speisesaal der Hütte ein Tisch bereit, an dem alle Platz gefunden haben. Das Essen war köstlich (die Vorsuppe vielleicht ein wenig versalzen) und ausreichend. Nach dem Abendessen wurde es noch so richtig gemütlich. Es stimmte einfach alles. Die Teilnehmer verstanden sich alle super untereinander und es wurde richtig lustig. Wenn wir am nächsten Morgen nicht raus gemusst hätten, wäre der Abend unvergesslich geworden; dem stimmten alle zu. Aber aufgrund unseres Vorhabens sind wir um 22.00 Uhr pünktlich ins Bett gegangen, schließlich wollten alle am nächsten Morgen top fit und ausgeschlafen sein.

Aber sie hatten alle nicht mit unseren `Schnarchern` gerechnet, oder zumindest waren alle so naiv und hofften, dass keiner unter uns weilte. Somit war für einige die Nacht nicht zum Schlafen da. Denn die meisten mussten am nächsten Morgen gestehen, dass sie fast oder nur kurz ein Auge zu machen konnten. Aber dies hinderte wiederum keinen daran, das vorgegebene Ziel zu erreichen. "Challenge" sage ich dazu!

Ach ja, bevor ich es vergesse, in dieser Nacht (musste mal auf die Toilette) dachte ich, ich traue meinen Augen nicht. Fast der komplette Schlaftrakt war gegen 2.30 Uhr auf den Beinen und machte sich auf den Weg in die Berge. Echt verrückt, da gibt es eben keine Grenzen. Durch unser Fenster sah ich die einzelnen Gruppen starten, hinaus in die Nacht. Dabei konnten sie nur auf ihre Kopflampen und auf das Mondlicht bauen, aber dieses zeitige Starten ist eben je nach Tour notwendig, um gegen Mittag auf dem Gipfel zu sein oder sich schon wieder auf dem Heimweg zu befinden.

Als unsere Crew am frühen Morgen gegen 4.30 Uhr aufstehen musste, ging gerade die Sonne auf. Das Bergpanorama vor der Tschiervatür sah phantastisch aus, denn nur die verschneite Spitze der Berge wurde von den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne rot eingehüllt.

Das Frühstück gegen 5.00 Uhr war ausreichend und super lecker, Kompliment an die Küche. Gut gestärkt ging es gegen 5.30 Uhr los. Das erste Erlebnis an der frischen Luft: Als wir vor die Hütte traten, sahen wir wie sich eine Nebelbank - langsam aus dem Tal aufsteigend - uns näherte und mit einem Male waren wir von ihr vollständig eingehüllt. Das war unheimlich spannend, denn diese Nebelbank verschwand genau so schnell wie sie kam.

Da ich nicht wusste, was mich in den nächsten Stunden erwartet und wie kalt es sein wird bzw. noch werden kann, zog ich alles an, was ich hatte, was einiges Schmunzeln bei meinen Tourteilnehmern mit sich brachte. Und nach dem ersten Teilabschnitt musste ich ja auch einsehen, dass das wohl ein wenig zu viel des Guten war (Rudi lief in T-Shirt los und ich hatte T-Shirt, Sweatshirt und Winterjacke angezogen). Der Pfand während des ersten Aufstiegs bis zum Gletscher ging über viel Steingeröll und Schneefelder. Es war schon ein wenig anstrengend. Nachteilig erwies sich schon hier, dass ich keine Wanderstöcke wie alle anderen bei mir hatte. So musste die gesamte Last des Aufstieges über meine Oberschenkel bewältigt werden und die freuten sich unheimlich. Am Fuße des Gletschers wurde es dann doch wieder kälter. Hier machten wir unsere erste Rast nach ca. einer Stunde. Die Rast diente aber eher zur Vorbereitung des Gletscherübergangs als zum gemütlichen Kaffeekränzchen. Es wurden die notwendige Kleidung und das Kletterequipment (incl. Steigeisen) angelegt sowie die entsprechenden Seilschaften gebildet.

Der Bergführer Hermann (Seilschaftsführer), die Karin, die Vreni und ich bildeten eine Seilschaft. Der Gerold (Seilschaftsführer) stellte mit Uli, Joachim und Michael die zweite Seilschaft und Dieter (Seilschaftsführer) mit Rudi, Fritz und Eberhard die dritte Seilschaft. Der Start der Gletscherbezwingung war gerade an diesem Morgen beeindruckend. Es war ganz windstill, ruhig und die Luft war klar und kalt. Wir bestiegen das Gletscherfeld als es sich noch vollständig im Schatten befand, da die Sonnenstrahlen noch von den Bergwänden rechts und links abgehalten wurden. Der Himmel war ganz tief blau und die verschneiten Bergwände und der verschneite Gletscher waren nicht weiß, sondern in hellblau getaucht. Das sah gigantisch aus.

Hermann wollte wohl bei dem Aufstieg ab diesem Zeitpunkt den bisherigen Rekord schlagen. Jedenfalls konnten uns die anderen Seilschaften ab dieser Stelle nicht mehr einholen. Und von einem gemütlichen Aufstieg war ab hier keine Rede mehr. Zumindest empfand ich das so. Aber dennoch machte es aufgrund der beeindruckenden Kulisse unheimlich Spaß und so etwas sehe ich sowieso als Challenge, zumal vor mir am Seil die beiden Mädels Vreni und Karin liefen. Bei der Überquerung des Gletscherfeldes war mir schon ein wenig mulmig zu mute. Denn eigentlich war es ein zusammenhängendes Schneefeld. Die Gletscherspalten waren zumindest nicht zu erkennen und somit lief man wie auf Kohlen darüber und hielt sich haargenau an der Spur der Vorläufer. Ich war jedenfalls froh als wir drüber waren, doch danach wartete schon die nächste Herausforderung auf uns. Ab hier begann der Aufstieg über festgefrorenem Schnee. Die Steigung war schon anspruchsvoll, so dass ich von mal zu mal außer Atem kam und froh war, wenn kurze Verschnaufpausen eingelegt wurden. Doch die Aussicht und das bei Kaiserwetter waren diese Strapaze wert und eigentlich machte es ja auch super viel Spaß.

Dann kam unsere zweite Rast. Diese Rast war ein Segen Gottes für mich, denn ich war schon ziemlich außer Atem, schließlich hatte ich es mit solchen Höhen bisher noch nicht zu tun. Und aufgrund der Anstrengungen bekam ich auch kaum noch etwas von der wundervollen Aussicht mit. Aber mit dieser Rast sollte sich das alles ändern. Wir sammelten uns ca. 500 m Höhenunterschied und 2-3 km Entfernung zum Gipfel mitten im Schnee. Und aufgrund unseres tollen Tempos hatte unsere Seilschaft gegenüber den anderen einen Vorsprung von ca. zehn Minuten. Die Aussicht war atemberaubend. Man hatte eine unglaubliche Weitsicht. So konnte man die schneebedeckten Alpen ringsherum bei wolkenlosem Himmel bestaunen. Solch eine Sicht hat man sonst nur aus dem Flugzeug. Aber das hier war viel intensiver und fühlbarer, denn das hier hatte man sich erkämpft und konnte stolz auf diese Leistung sein. Dennoch, wir waren ja noch nicht auf dem Gipfel!

Alle nutzten die Rast, um Flüssigkeit nachzutanken und ich muss der Karin danken für die Cola, denn der Zucker brachte meinen Kreislauf wieder in Schwung. Die gesamte Gruppe war schon total glücklich über das bisher Vollbrachte und freute sich auf den Gipfel. Ich war überglücklich, dass ich es bis hierher geschafft hatte. Denn das letzte Stück war schon eine Strapaze, da wir ja unbedingt in Rekordzeit den Gipfel erstürmen mussten. Aber irgendwie konnte ich das auch verstehen. Die meisten in unserer Truppe sind alte Berghasen und haben auch die nötige Kondition. Für sie war der bisherige Weg schon anstrengend, aber keine Strapaze an sich. Sie hatten das Kaiserwetter, die nötige Kraft und waren verdammt gut drauf.

Und damit ging es dann auch schon weiter - nächster Halt - der Gipfel des Piz Morteratsch. Das dauerte noch einmal fast eine Stunde, bis wir den Vorgipfel und dann den Gipfel erreichten. Auf dem Vorgipfel machten wir den ersten Halt. Und dass unsere Seilschaft dorthin fast hoch rannten, kann man daran erkennen, dass wir auf dem letzten Stück seit der zweiten Rast wieder einen Vorsprung von knapp zehn Minuten gegenüber den anderen Seilschaften erreicht hatten. Mein erster Gedanken auf dem Vorgipfel, nachdem ich den Rucksack abgeschnallt hatte war, ab jetzt war es das. Jetzt sollen sie ruhig einen Hubschrauber chartern, der mich wieder runter bringen soll. Aber das war nur Spaß, denn mein Glück konnte ich gar nicht fassen. Geschafft, ich habe meinen Traum wahr machen können. Endlich habe ich das erreicht, was ich mir schon lange vorgenommen habe. Alle Strapazen waren vergessen. Wir alle lagen uns in den Armen und waren super happy. Und jetzt ging es los mit Fotos schießen. Denn an der Aussicht hat sich nichts geändert, nur dass wir jetzt fast ein 360 Grad-Panorama über die Gipfel der Alpen hatten. Und das wie gesagt bei Kaiserwetter, bei nur einige Wolken am Himmel, die langsam aufkamen (hatte der Wetterbericht auch so vorhergesagt).

Das letzte Stück auf den eigentlichen Gipfel war noch etwas beschwerlich, denn dieser ragte als Steinfels noch ein wenig dem Himmel entgegen. Auf den Fels mit den Steigeisen zu kommen, machte ein Balancieren notwendig. Aber auch das war kein Problem für die Gruppe und alle mussten da ja auch noch hoch, um die Gipfelbesteigung perfekt zu machen. Vom Gipfel konnten wir auch unsere Tschiervahütte als kleines Etwas in der Ferne erkennen. Erst jetzt konnte man nachvollziehen, welche Höhenmeter wir in den Beinen hatten. Darauf waren ja auch alle stolz, zu Recht. Das einzige Bergmassiv, dass uns das 360-Grad-Panorama vermieste, war der Bianco-Grat. Aber der sah von hier aus wunderschön aus und erst jetzt konnte man den schneebedeckten Grad in seiner vollen Ausdehnung bestaunen. Dies wurde dann natürlich auch als Fotokulisse genutzt und das nicht zu knapp.

Eberhard und Uli
Eberhard und Uli
Biancograt
Biancograt

Biancograt
Biancograt
Piz Palü
Piz Palü
Bellavista
Bellavista
Piz Zupò und Piz Argient
Piz Zupò und Piz Argient
Piz Morteratsch
Piz Morteratsch

Dann kam der Abstieg. Und jetzt wollten wir versuchen, ob wir nicht wieder runter rennen können. Zumindest dachte ich das und meldete meinen Unmut aufgrund der Schmerzen in den Knien beim Seilschaftsführer des Öfteren an. Der Hermann entschied dann, mich als ersten in der Seilschaft vor laufen zu lassen. Dafür bin ich und meine Knien ihm heute noch dankbar. In einem annehmbaren Tempo stiegen wir dann bis auf den Gletscher wieder ab. Anfangs haben sich fast alle noch dafür ausgesprochen, nach dem Piz Morteratsch auch gleich noch als Abstecher den Piz Tschierva zu besteigen. Aufgrund der aufkommenden Wolkenfront und der Vorhersagen des Wetterberichtes wurde dieses Vorhaben dann kurzer Hand noch beim Abstieg gecancelt. Auf dem Gletscher schnallten wir dann zu Gunsten eines schnelleren Abstieges die Steigeisen ab, was mich zugegebener Maßen ein wenig störte, denn damit verlor ich den sicheren Halt auf dem Schnee. Und den brauchte ich ja, denn ohne Wanderstöcke musste ich eben alles über die Oberschenkel meistern. Und wie ich es befürchtet hatte, verlor ich den Grip zum Boden und schlitterte fast nur über das Gletscherfeld. Denn die Jungs und Mädels rannten förmlich darüber. Ich wusste nicht genau, warum wir mit diesem Affenzahn den Gletscher passieren mussten, aber jegliche Einwände wurden mit charmanten Sprüchen beantwortet und somit hielt ich mich dann einfach raus.

Als wir den Schnee hinter uns gelassen hatten, gab es wieder wie schon am Morgen, die obligatorische Rast, auf der dann das Equipment wieder verstaut wurde und dann begann der Abstieg über das Geröllfeld. Meine Oberschenkel hatten sich auf dem Gletscher endgültig von mir verabschiedet und wollten nicht mehr so richtig. Deshalb musste ich mich im Geröllfeld um so mehr vorsehen, denn Unaufmerksamkeit bürgte nun das größte Risiko, den Fuß zu verknacksen oder ähnliches. Somit fiel ich auch ziemlich schnell zurück. Aber der Hermann erbarmte sich meiner und wartete auch mich. Wir liefen dann gemeinsam den anderen hinterher und erreichten mit Verspätung die Tschiervahütte. Hier unten angekommen, war mein Glück kaum noch beschreibbar. Ich, wir hatten es ohne Komplikationen geschafft. Und ich war völlig fertig und wolle erst einmal nur sitzen, liegen und mal richtig durchatmen. Den anderen sah man aber auch die Anstrengung an, aber sie hatten das alles gut wegstecken können.

Nachdem wir die am Morgen zurückgelassenen Utensilien wieder verstaut hatten, ging es dann weiter in Richtung Parkplatz. Nach zehn Minuten bekam ich mit, dass ich mein Basecap auf der Tschiervahütte vergessen hatte. Ich entschied mich nach Absprache mit den anderen, zurückzulaufen, um mein Cap zu holen. An die anderen hiermit mein Dank, denn hättet ihr nicht meine Klamotten übernommen, hätte ich niemals diese Rückholaktion antreten können. Jedenfalls lief ich wieder zur Hütte zurück. Ich spürte meine Oberschenkel überhaupt nicht mehr, aber das war mir egal. Und tatsächlich lag meine Cap noch auf der Mauer der Tschiervahütte. Ich konnte das gar nicht glauben und war sehr stolz auf mich, dass ich diese Anstrengung noch bewältigt hatte. Dann ging es aber wirklich auf den Heimweg. Ich versuchte nun, die anderen, die weitergegangen waren, wieder einzuholen. Somit rannte ich nun wirklich den anderen hinterher und holte sie nach ca. einer Viertelstunde ein.

Auf dem Weg zum Rosegtal wurde die Tour von allen schon aufgearbeitet und wir waren wieder ein fröhliches Völkchen, wie am Vortag. Das Wetter spielte trotz aufkommender Wolkenfront weiterhin super mit. Und schon bald erreichten wir die Ebene, in der der Gletscherbach entstand und sich das Roseghotel befand.

Hier hatten wir unsere letzte Rast eingeschlagen. Wir alle waren von den Anstrengungen der letzten Stunden erschöpft, zumal ja einige in der letzten Nacht kein oder nur kurz ein Augen zu machen konnten. Aber an unserer Laune konnte dies nicht rütteln. Wir waren so gut drauf wie nie zuvor, denn wir hatten uns nun super untereinander kennenlernen können. Hermann und die Mädels kühlten ihre Füße im kalten Schmelzwasser ab und die anderen werteten weiter die bisherige Tour aus.

Das letzte Teilstück durch das Rosegtal empfanden alle als viel viel länger als am Tag zuvor. Irgendwie sehnten wir uns alle nun nur noch danach, schnellst möglich zum Auto zu kommen und somit fiel der Weg eben ein wenig schwerer als am Vortag. Aber auch dass überstanden wir und das bei strahlendem Sonnenschein. Nachmittags um ca. 16.30 Uhr erreichten wir dann überglücklich den Parkplatz in Pontresina. Als ich meine Schuhe ausgezogen hatte, war für mich und die anderen ein unbeschreibliches und einschneidendes Erlebnis zu Ende gegangen.

Pontresina
Pontresina

Auf der Rückreise mit dem Auto war der erste und einzige Stop der Julierpass. Das war einfach ein Muss! Hier wollten wir uns gar nicht mehr trennen, denn es wurde gleich wieder urig und gemütlich. Es gab wieder den herrlichen Cappuccino und dazu Kuchen und gute Laune. In diesem Bistro wurde jedenfalls beschlossen, dass es mit allen ein Wiedersehen geben wird. Und dieses Revival gab es dann auch gleich einige Wochen später bei der Vreni und dem Eberhard zu Hause mit tollem Flair, einem köstlichen Dinner und mit allen Teilnehmern (außer Dieter mit Entschuldigung).

Ich möchte mich mit diesen Zeilen gern bei allen bedanken. Besonders beim Gerold, durch den mir das alles erst ermöglicht wurde. Aber auch bei den anderen. Ihr wart echte Kumpels und ein super Team. Das werde ich nie vergessen und ich hoffe, dass wir unser Vorhaben für 2005 verwirklichen können.

Einen vom Herzen kommenden Gruß,

Frank


Letzte Änderung am 24.01.2005