Fletschhorn (3993 m), Jegihorn (3206 m)
Wallis


Freitag, 29.8.08

Unter der Leitung von Claudia Bäumler und Hartmut Bielefeldt fahren wir (Henning, Marion, Siegfried und Martin) ca. 6:45 Uhr ab Überlingen nach Saas Grund im Wallis. Wir nehmen die Richtung Zürich, fahren dann aber durch Rapperswil (lästiger Stau im Ort) zum Gotthard, nach dem Tunnel aus dem Ticino-Tal heraus ins Val Bedretto, über den beeindruckenden Nufenen-Pass (2478 m) ins Wallis. Über Goms erreichen wir per E 62 Visp, wo wir links ins Visp-Tal abbiegen, im dem die Saas-Orte liegen, Saas Grund hier als drittletzter Ort auf gut 1500 Höhenmetern.

Ca. 12:30 Uhr steigen wir vom Parkplatz der Gondelbahn zum Hohsass (Hochplateau auf 3100 m unterhalb des Weißmies) auf durch herrlichen Bergwald mit Chalets in Richtung Kreuzboden. Schon im Tal sind wir fasziniert von Allalinhorn, Alphubel und der Mischabel-Kette mit dem Täschhorn und dem Dom, die das Saastal nach Süden und Westen abschließen.

Kurze Pause auf der Alm unterhalb des Kreuzbodens, dann wieder am "Seeli" am Kreuzboden selbst in gleißendem Sonnenlicht. Fletschhorn und Lagginhorn, die Ziele unserer Tour, wirken von hier aus bedrohlich und übermächtig, doch Claudia und Hartmut beginnen uns mit ersten Informationen über die Routen positiv einzustimmen.

In der Weißmies-Hütte (2726 m) finden wir saubere Schlafplätze, gutes Essen und das phantastische Alpenpanorama vor, das nun nach Süden hin mit dem Strahlhorn und dahinter dem Monte-Rosa-Hochplateau mit seinen berühmten Spitzen (Signalkuppe, Dufourspitze) und seiner furchterregenden Ostwand ergänzt wird. Nun ist im Westen außerdem der sehr schmale und spitze, schwarze Gipfel des Rimpfischhorn zu sehen.

Gemütlicher Abend mit weiteren Informationen zur morgigen Fletschhorn-Tour von Hartmut und Claudia. Müde, aber nicht erschöpft von den 1300 m Aufstieg ist ab 21:00 Uhr Schlafenszeit angesagt.

Seeli bei Kreuzboden
Seeli bei Kreuzboden
Weissmieshütten
Weissmieshütten

Samstag, 30.8.08

Um 5:00 Uhr ist Aufbruch. Wir steigen in nordwestlicher Richtung auf die rechte, vom Jegi-Grat entferntere Moräne, von dort wieder ab in den grauen, eisigen Matsch des ehemaligen Gletschers. Wir queren diesen auf einer Diagonale von ca. 400 bis 500 Metern, bis wir unterhalb des Jegi-Grates in Kehren durch zum Teil sehr grobes, felsiges Blockwerk weiter ansteigen. Auf einer Höhe von ca. 3200 m (wir haben ab jetzt etwas Tageslicht) beginnt relativ nah am Jegi-Grat ein Schnee- und Eisfeld mit unterschiedlichen Neigungen so um die 30 Grad. Hier schnallen wir nun die Steigeisen an und teilen uns in zwei Dreier-Seilschaften auf.

morgendlicher Blick auf die Monte Rosa-Ostwand
morgendlicher Blick auf die Monte Rosa-Ostwand
das ganze Panorama
das ganze Panorama

Das genannte Feld setzt sich oben weiter fort; rechts davon befindet sich, unterhalb der Westwand des Fletschhorns, ein steiles, unangenehmes Eisfeld, das wir tunlichst an dessen äußerstem linken = nördlichen Rand umsteigen. Vor allem im oberen Teil ist unsere Passage nur durch harte Arbeit mit Hilfe der Frontzacken zu bewältigen.

Auf einer Höhe von ca. 3500 m erreichen wir eine Art Sattel, der sich nach Westen in namenlosen Felsen fortsetzt. Dahinter fällt das vergletscherte Gelände nach Nordwesen ab. Wir wenden uns jetzt nach rechts = ungefähr nach Nordosten, direkt in den Gletscherbereich der Fletschhorn-Westwand. Vorsicht: Hier sind viele Schründe, Brüche und Spalten zu sehen; der Gletscher ist dort, wo wir ihn in großen Kehren passieren, bis zu 40 Grad steil. Wir bestaunen hier eine stattliche Eishöhle, deren Rachen mit zahlreichen Eiszapfen geschmückt ist. Der Akku meiner Digitalkamera hat leider wegen Kälte seinen Dienst quittiert.

Unsere Seilschaften mühen sich nun auf den nördlich unterhalb des Gipfels befindlichen Sattel hoch (ca. 3800 m). Oben bestaunen wir eine gewaltige Schneewehe, dazu die ca. 70 Grad steile, nur noch teilweise vereiste Fletschhorn-Ostwand. Der weitere Anmarsch auf den Gipfel (3993 m) vom Sattel über den Nordgrat strengt an, doch ist der Schnee in optimalem Zustand für die Begehung mit Steigeisen. Ca. 100 Höhenmeter unter dem Gipfel werden wir von einer Schweizer Fünfer-Seilschaft beglückt, die ihren Gipfelerfolg in bemerkenswerter mit mehrstimmigem, bemerkenswert harmonischem Gesang feiert - ein Event, das sogar mich rührt, obwohl ich mich sonst als relativ kitschresistent outen muss.

Als Claudia, Henning und Martin selbst oben sind (ca. 10:00 Uhr) sind drei Brüder einer weiteren Schweizer Seilschaft oben, mit denen wir uns gut unterhalten. Wir helfen uns gegenseitig mit den Gipfelfotos aus und genießen im Übrigen bei "Kaiserwetter" den überwältigenden Rundblick: Von Süden und Südwesten ausgehend die genannten Monte Rosa/ Strahlhorn, Allalinhorn und Rimpfischhorn, Alphubel und Mischabelkette. Im Westen sind Spuren des Mont Blanc zu ahnen, West/Nordwest das Weißhorn mit seinem kleinen Bruder, dem Bishorn.

Im Nordosten die gewaltigen Gletscherkurven des Rhonegletschers mit dem Galenstock, außerdem des Aletschgletschers. Besonders gut zur Geltung kommt hier das Finsteraarhorn mit seiner mächtigen weißen Rampe auf der Westflanke.

Direkt unter uns in Richtung Süden muss "irgendwo" die Direktpassage zum benachbarten Lagginhorn über den Fletschhornsattel erfolgen, doch kann ich nicht ermitteln, wo hier ein Abstieg beginnen könnte.

3600 m - der Sattel hat schon Sonne
3600 m - der Sattel hat schon Sonne
Aletschgletscher
Aletschgletscher
auf dem Gipfel
auf dem Gipfel
Fletschhorn, 3993 m
Fletschhorn, 3993 m
Blick nach Italien
Blick nach Italien
Bald geht es wieder runter
Bald geht es wieder runter

Nach dem Zusammentreffen unserer beiden Seilschaften beginnen wir bald wieder mit dem zunächst bequemen Abstieg über den besagten vergletscherten Nordgrat. Beim weiteren Abstieg durch das recht steile Spaltengebiet bilden wir eine große Seilschaft und lassen uns erstmals von Hartmut und Claudia per Eisschraube sichern. Die Schraubensicherung werden wir nochmals anwenden, nachdem wir ins erwähnte Eisfeld neben dem Jegi-Grat eingestiegen sind. Auch jetzt tun wir gut daran, die steileren Passagen im rückwärts Absteigen per Frontzacken zu nehmen; für versiertere und kräftigere Bergsteiger wäre es eleganter, den Hang im Vorwärtsgang zu nehmen und hierbei den Pickel als Geländer zu benutzen. Das Problem ist, dass die Sonne den Firn über dem eigentlichen Eis gut aufgetaut hat, d.h., die Oberfläche ist nun seifig/ schmierig.

Im unteren Bereich der letzten Eispassage des heutigen Tages werden wir von braunroten Schmetterlingen überrascht - üblerweise aber auch von Steinschlag, wobei ein besonders großer Brocken von wohl 20 cm Durchmesser und mehr Marion nur um einen guten Meter verfehlt.

Der weitere Abstieg durch das Blockwerk offenbart dann leider technische und konditionelle Unterschiede innerhalb unserer Doppelseilschaft. Doch lohnt sich die Mühe - hinter uns quert in einem Abstand von weniger als 100 Metern eine Steinbock-Kuh mit ihrem Jungen unseren Weg! Sehr ruhig, wohl mit einem Minimum an Kraftaufwand bewegen sich die gedrungenen, kräftigen Tiere in Richtung Jegi-Grat.

abenteuerlich bewegliches Gelände...
abenteuerlich bewegliches Gelände...
... ist für die beiden kein Problem.
... ist für die beiden kein Problem.

Als wir wohlbehalten den abgetauten, grauen Gletschermatsch durchschritten und auf der linken Moräne angekommen sind, hat sich Claudia bereits verabschiedet, die den anspruchsvollen Klettersteig am Jegihorn (ca. 3200 m) in Angriff nehmen will.

Ohne Zeitdruck schlendern wir in Richtung Weißmieshütte zurück; ich selbst gebe mir noch eine halbe Stunde, um am Bach bei einem Extravesper die relative Bergeinsamkeit und den nochmaligen gigantischen Ausblick nach Westen in der tiefgoldenen Mittagssonne zu genießen.

Was sich schon auf dem Gipfel angedeutet hat, wird nun zum monumentalen Schauspiel: kilometerhoch türmen sich Quellwolken von Italien her zum Monte-Rosa-Massiv auf.

Der Abend bringt neben viel Freude und Zufriedenheit über das Erreichte auch die Erkenntnis, dass sich mehrere aus unserer Gruppe nicht mehr fit genug für das Lagginhorn fühlen. Außerdem droht die Sohle meines rechten Bergschuhs, angesichts der Strapazen zu kündigen - und wo hier oben einen Schuhmacher aufzutreiben?? Auch droht ein nachhaltiger Wetterumschwung. So ist rasch klar, dass das Lagginhorn aus dem morgigen Programm genommen wird. Dafür fließen Bier und Radler-Halbe nun etwas reichlicher als gestern: Ausspannen? Frustsaufen? Jeder hat seine eigenen Motive...

So, 31.08.08

Wir frühstücken deshalb erst um 7:00 Uhr. Henning, Marion und Claudia steigen bereits ab, während Hartmut, Siegfried und Martin (der mit der Schuhsohle) ab 8:00 Uhr wenigstens das Jegihorn erklimmen wollen. Der Weg führt von der Weißmieshütte kaum ansteigend über drei Bäche, von denen zwei auf zweifelhaften Stegen überquert werden können. Danach gabelt sich der Pfad (zum Gipfel nach links, zum Klettersteig nach rechts) und wir steigen auf Sand und kleinen Steinchen bequem den steilen Hang südwestlich des Jegihorns hoch. Der Pfad, durchgehend weiß-blau-weiß sowie mit Steinmännchen markiert, führt an einer Stelle über sandige Platten (bei Nässe wohl sehr schmierig!), ca. 50 - 100 Höhenmeter weiter oben durch eine steile Scharte, die man am besten auch mit Hilfe der Hände durchsteigt. Für den routinierten, trittsicheren Bergwanderer sollten diese Passagen jedoch kein Problem darstellen, auch wenn Sorgfalt und Konzentration selbstverständlich nie nachlassen sollten. Auf ungefähr 3050 Höhenmetern wenden wir uns nach rechts, laufen/ klettern dann aber auf dem Blockwerk nicht ganz durch das "Tälchen", das sich hier auftut, sondern wenden uns wiederum nach rechts auf den breiten, von Blöcken übersähten Grat, der uns ungefähr in Südwest-Nordostrichtung direkt zum gut sichtbaren Gipfelkreuz führt. Der Grat fällt nach Südosten sehr steil ab, nach Nordwesten hingegen geht er in einen von Blöcken und Platten bedeckten Hang über.

Auf dem Gipfel ist die Rundsicht eher enttäuschend - über Nacht haben sich überall Dunstschleier und Wolken angesammelt, die um die 4000-er in Nah und Fern herumwabern. Gute Aussichten sind deshalb nicht von Dauer. In der Nähe im Norden gut zu sehen ist der smaragdgrüne See im von Schutt gefüllten Hochtal in den Westausläufern des Fletschhorns.

Wir verständigen uns eher mühsam mit einem Franzosen, der eben den Klettersteig absolviert hat, und treten selbst nach einigen Foto-Aktionen den Rückweg an. Kurz nach 12:00 Uhr, also in eher gemächlichem Marschtempo, erreichen wir wieder die Weißmieshütte. Zuvor belustigt uns noch ein fettes Murmeltier, das in den Abhängen der Moräne vor dem Jägihorn gelangweilt nach Essbarem sucht, das Fotografieren jedoch kommentiert, indem es uns meist nur den Allerwertesten zeigt.

desinteressiertes Murmeltier
desinteressiertes Murmeltier
Jegihorn. Rechts des Gipfels die Hängebrücke des Klettersteigs. Wer´s mag....
Jegihorn. Rechts des Gipfels
die Hängebrücke des Klettersteigs. Wer´s mag....

12:30 Uhr beginnen wir den Abstieg von der Weißmieshütte und erreichen 14:00 Uhr den Parkplatz. Ca. 14:20 fahren wir über Visp, Sion und Martigny (d.h. vorbei an den Abzweigungen zu den berühmten Mattertal, Val d'Hérens und der Zufahrt zum Großen St. Bernhard) zum Genfer See, dessen dunstig-goldene Weite uns fasziniert.

Die weitere Autobahnrennerei, unterbrochen durch einen Stau bei Kirchberg, bietet uns teilweise passable Ausblicke, etwa auf den Schweizer Jura, doch sind wir froh, dass wir fast Punkt 20:00 Uhr wohlbehalten in Überlingen ankommen.

Abschließend herzlichen Dank an Claudia und Hartmut, die unsere Tour in jeder Hinsicht vorbildlich geführt und uns allen damit ein grandioses, unvergessliches Bergerlebnis verschafft haben.


Text von Martin Zürn, Bilder von Claudia Bäumler und Hartmut Bielefeldt.
Letzte Änderung am 08.09.2008